Seit einigen Monaten beziehe ich die polnische Ausgabe der Zeitschrift "Computerworld" im Abonnement. In einer der letzten Nummern habe ich die Geschichte des Computers "Elwro 800 Junior" gelesen.
Am Anfang der Achtziger Jahre, als es noch die Volksrepublik Polen gab, waren die Computer 'Commodore' und 'Spectrum' für die meisten Polen immer noch nicht zugänglich. Aus diesem Grund ergriff 1985 die Regierung die Initiative, die Massenherstellung eines Personalcomputers zu finanzieren, der zu Erziehungszwecken an Schulen verteilt werden sollte.
Der Rechner sollte in Polen entworfen werden und die Hardware dafür aus Osteuropa bezogen werden. Ein Projekt aus der TH Posen bekam den Zuschlag, und der Auftrag zur Massenfertigung wurde an die Elektronikfirma Elwro in Breslau vergeben, die schon die Mainframes 'Odra' herstellte.
Das Elwro 800 war ein perfekter Emulator vom ZX Spectrum, aber nicht nur das. Es basierte auf einer Client/Server-Architektur, die eine Verbindung aller Rechner eines Klassenzimmers in einem geschlossenen Netz ermöglichte. Der Lehrer konnte zum Bildschirm der Schüler wechseln und mit ihnen interagieren, ohne seinen Sitzplatz zu verlassen. Es stand vorwiegend Lernsoftware zur Verfügung, es gab aber auch Compiler für Programmiersprachen wie Pascal, C und Prolog.
Erst viele Jahre nach dem Projekt-Kickoff erreichten die ersten Elwro 800 die Klassenzimmer - Logistik und Effizienz waren nun einmal nicht gerade die Stärke der VR Polen. Immerhin war das das größte IT-Projekt, das jemals im Land realisiert wurde
Der Elwro 800 hatte einen Prozessor aus der DDR, Arbeitsspeicher aus der Sowjetunion und ein Disklaufwerk aus Ungarn oder Bulgarien. Bei Elwro waren noch nie so viele Rechner in so kurzer Zeit vom Fließband gelaufen, daher waren die ersten Exemplare mangelhaft. Man brauchte auch eine gewisse Zeit, den Verteilungs- und Installationsprozess in Gang zu bringen, und ebenso die Ausbildung der Lehrer zu organisieren. Es muss erwähnt werden, dass im Sozialismus häufig eine Phase eines Projekts erst dann geplant wurde, wenn die vorherige Phase schon abgeschlossen war.
Trotz aller Schwierigkeiten kamen Ende der Achtziger Jahre die ersten Elwro 800 in den polnischen Schulen an. Dann aber kam die Wende und die ersten IBM-kompatiblen Rechner erschienen auf dem Markt. Aus diesem Grund waren Rechner, die auf einer ZX-Spectrum-Architektur basierten, schon gleich zu Anfang obsolet. Trotzdem waren in den neunziger Jahren immer noch Tausende von Elwro 800 in den polnischen Schulen in Gebrauch. Viele Polen lernten das Programmieren auf einem dieser Rechner. Außer den Schülern, sollten hier die Programmierer, die die Lernsoftware schrieben, und die Ingenieure, die die Bauteile entwarfen, erwähnt werden.
Allerdings gibt es die Firma Elwro schon lange nicht mehr. Sie wurde privatisiert: Siemens kaufte sie ein und nach einigen Jahren wurde sie stillgelegt. Ich habe nicht herausfinden können, was aus denjenigen geworden ist, die diesen Rechner entworfen hatten. Nicht einmal ihre Namen habe ich ausfindig machen können - alle Quellen reden von einer "Mannschaft" aus der Technischen Hochschule Posen.